Höre nicht (immer) auf die Stimme in dir – Evi Pröger

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„Hör auf dein Bauchgefühl!“, „Du wirst dann schon merken, ob das richtig ist. Hör einfach in dich hinein!“, „Deine innere Stimme weiß, was gut für Dich ist!“. Oder „Wenn du Gott darum bittest, wird er dir schon zeigen, was er für dich möchte. Du wirst dann spüren, dass es die richtige Entscheidung ist.“ Solche oder so ähnlich Ratschläge hört man oft, wenn man vor einer Entscheidung steht. In sich hineinhören, dem berühmt Bauchgefühl folgen. Der eigenen Intuition vertrauen. Denn wenn ich selbst nicht weißt, was sich für mich gut anfühlt, wer dann? Viel zu oft entscheiden wir nämlich aus dem heraus, von dem wir glauben, dass es die anderen wollen. Und dann etwas tun, um es den anderen recht zu machen. Da wäre ein Einfaches „Nein“ manchmal gar nicht so verkehrt.

Trotzdem möchte ich heute Gedanken darüber teilen, warum es manchmal auch gut ist, NICHT auf die innere Stimme zu hören. Denn diese Stimme kann dich auch ganz schön negativ beeinflussen. 

Meine Mama erzählt mir, was für einen tollen Vormittag sie mit der Freundin meines Bruders hatte und wie sehr sie sich freut, dass sie und mein Bruder bald neben ihnen ein Haus bauen. Und da ist er schon. Der Stachel, der pickst und die Stimme in mir die sagt: „Für Dich hat sie sich schon lange keine Zeit mehr genommen. Wenn sie erst mal so nah zusammen wohnen werden sie sich noch näherstehen. Dann werden sie eine richtige Gemeinschaft sein und Du wirst nicht dazu gehören. Dein kleiner Bruder baut jetzt ein Haus und Du hast es noch nicht mal geschafft eine funktionierende Beziehung zu führen. Nächstes Jahr gibt es dann die ersten Enkel und dann ist er Dir noch einen Schritt voraus.“ Spürst Du das, wie die Worte sich fast wie Gift in mir ausbreiten. Zweifel werden geschürt, Ängste vergrößert. Dabei ist es, rein sachlich betrachtet, doch super, wenn die beiden sich gut verstehen und die Information, dass sie einen schönen Vormittag hatten, ganz sachlich. Und überhaupt, ich liebe meine Schwägerin in Spe und wie schön ist es, dass mein Bruder so eine tolle Frau an seiner Seite hat. Ja, das weiß ich alles. Und trotzdem. Die Stimme ist da.

Ich glaube, dass jeder Schmerz, der Dir von außen zugefügt wird, eigentlich in Dir drinnen steckt. Wenn ich nicht als Kind und Jugendliche häufiger das Gefühl gehabt hätte, nicht dazu zu gehören, dann könnte mir die ganze Situation gar nicht weh tun. Wäre der Wunsch nach einer Beziehung, einer eigenen Familie, einem Haus nicht so groß in mir, wäre mir das alles nicht so wichtig. Würde mir zum Beispiel meine Mama erzählen, wie toll es war, als sie mit meiner Tante deren Keller entrümpelt hat, dann würde sich in mir gar nichts regen. Das, was ich nach außen empfinde und wo Menschen mich piksen oder verletzen, ist, glaube ich, ein Spiegel meiner selbst. Ich kannst nur von Dingen verletzt werden, die in mir noch feststecken. Bei denen ich klein von mir denke, an Verletzen von früher festhalte, falsche Dinge über mich glaube, die ich irgendwann als wahr angenommen habe. Und allzu schnell geht meine innere Stimme den altbekannten Weg, biegt ab auf die Autobahn, die in meinem Fall „Ich gehöre nicht dazu“ oder „Ich bin nicht gut genug“ heißt. Denn die bin Ich ja auch schon 100e Mal gefahren. Da kenn ich mich aus.

Die gute Nachricht ist: Ich kann neue Autobahnen bauen. Ich glaube, mal bewusst auf seine Stimme zu hören und, eher als Beobachter, wahrzunehmen: „Aha, wo kommt den dieses Gefühl plötzlich her?“, ist ein guter Anfang. Erst Mal die Autobahnen finden und erkennen, welche Glaubenssätze dahinter stecken. Und dann helfen mir zwei Gedankenübungen.

Erstens: Ich mache mir bewusst, dass meine Welt in meinem Kopf entsteht. Wenn ich also einen bestimmten Gedanken habe, überlege ich mir: Ist diese Welt, die ich damit erschaffe, so wie ich sie haben will. Möchte ich eine Welt, in der ich nicht dazu gehöre? Meistens kann ich diese Frage sofort mit „Nein“ beantworten. Ich denke also darüber nach, ob dieser Gedanke mir eher Ordnung oder Unordnung bringt. Wenn es keine Ordnung schafft und weder mir noch anderen dient, dann kann ich ihn auch genauso gut loslassen. Und dann kann ich mich auch öffnen, für neue Gedanken. Und z.B. Gott fragen, wie er mich stattdessen sieht. Oder mir selbst zusprechen, dass ich dazugehöre. Dass meine Familie mich liebt und das schon immer getan hat. Oder eine andere liebevolle Wahrheit über mich selbst.

Die zweite Sache wende ich an, wenn mich Sachen besonders wütend machen oder durcheinander bringt. Manchmal habe ich eben auch keine Lust, verständnisvoll zu sein und mir zu überlegen, ob mir das gerade Ordnung bringt oder wem es nützt oder nicht. Denn der Schmerz oder die Wut, die sind ja trotzdem da. Dann hilft es mir, nachdem ich vielleicht erst Mal den Raum wechseln musste, zu überlegen: Wie werde ich morgen über diese Sache denken? Und wie in einer Woche? Wie sehe ich das in einem Jahr? Und wie sehe ich es in 10 Jahren? Und dann, es ist eigentlich so herrlich, sind die allermeisten Sachen echt schon gar nicht mehr so schlimm. Weil ich mich an die meisten in 10 Jahren wahrscheinlich nicht einmal mehr erinnern werde. Und dann reg ich mich schon gar nicht mehr so auf.

Die innere Stimme kann ein guter Ratgeber sein. Ich mag sie auch recht gerne. Aber manchmal hat sie eben auch nicht recht. Und manchmal ist sie halt auch eine beleidigte Leberwurst. Weil ich, jetzt als erwachsene Evi, zu der verletzen Stimme in mir sagen kann: „Das ist nicht mehr deine Wahrheit!“. Und dann sag ich manchmal einfach zu ihr: „Diese Autobahn benutzten wir heute nicht!“ Und irgendwann brauchen wir sie vielleicht gar nicht mehr. Oder nur noch ganz selten. 😊

 

Evi Pröger

Evi Pröger

Ich bin Evi, 32 Jahre, Hohenloherin in der 20. Generation 😊 Jetzt gerade wäre ich gerne bei Sonnenschein am frühen Morgen irgendwo in einem Städtchen am Meer, wenn die Luft noch ganz frisch ist und die Menschen gerade erst so langsam aufwachen. Und dann einen frisch gepressten OSaft geniessen. Ich freu mich immer über schöne Begegnungen und gute Gespräche. Und über Schokolade. Und Dir wünsch ich viel Freude mit meinem Text.

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